Provisorische Integration und Kulturtransfer : Französische Revolutionsemigranten im Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation
Friedemann Pestel , Matthias P. Winkler
Pestel, Friedemann, Winkler, Matthias P., « Provisorische Integration und Kulturtransfer : Französische Revolutionsemigranten im Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation », Francia 43 (2016), p. 137-160.
Extrait de l’article
Folgt man dem Publizisten Andreas Georg Friedrich Rebmann, einem der radikal- aufklärerischen Sympathisanten der Französischen Revolution, so ließe sich die Prä- senz von Revolutionsemigranten im Heiligen Römischen Reich schnell als Negativ- folge der Umwälzungen in Frankreich abtun : Kann man sich überwinden, mit diesen zu sprechen, so findet man es sehr begreiflich, daß die Guillotine sich mit dieser Men schenklasse so sehr beschäftigt, aber man kommt zugleich in Versuchung zu wün schen, daß ihr wenigstens viele von diesen Ausgewanderten nicht entgangen sein möchten. Solche Verdikte über Revolutionsgegner, die ab 1789 Frankreich verlie- ßen, sind für das Reich Legion. Der Kölner Erzbischof, Maximilian Franz von Ös- terreich, sprach vom Emigrégeschmeiß, ein Mainzer Zeitgenosse von einem Krebsge schwür. Sie lassen freilich außer Acht, dass Emigration in Frankreich während der 1790er Jahre ein mit dem Tod bedrohtes Verbrechen darstellte, die Emigranten in ihrem Heimatland als zivilrechtlich tot galten und mithin in ihren Handlungsalter- nativen stark eingeschränkt waren. prägte : In Koblenz ließen sich 1791 auf Einladung ihres Onkels, des Trierer Kurfürs- ten Clemens Wenzeslaus von Sachsen, die beiden jüngeren Brüder Ludwigs XVI. nieder und versammelten eine großenteils aus Adligen bestehende Emigrantenarmee um sich. Als Verstärkung der preußisch-österreichischen Truppen nach der Kriegs- erklärung vom April 1792 markierte die Armee den Versuch der Emigranten, militä- rische Handlungsmacht zurückzugewinnen. Als sich die Emigrantenarmee Ende 1792 auflöste, entwickelte sich aus dem einjährigen Aufenthalt von mehreren Tau- send Franzosen in den überfüllten Städten Koblenz und Trier ein negativer Erwar- tungshorizont für den künftigen Umgang mit den Emigranten.
Auffällig ist weiterhin, dass viele solcher Stereotypen auf das »Koblenz-Syn- drom« zurückgeführt werden können, das die deutsche Emigrantenwahrnehmung